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LOST: 23 mm in Thölstedt


Sonntagmorgen und die Sonne lacht vom Himmel! Das erste Mal dieses Jahr ist eine Ausfahrt in Kurz-Kurz möglich. Allein die stürmischen Böen, die nerven mal wieder. Aber in diesem Frühjahr setzt dafür schon so langsam ein Gewöhnungseffekt ein. Wäre plötzlich kein Wind mehr, würde ich auf dem Renner wahrscheinlich erst mal das Gleichgewicht verlieren! Streckenmäßig setzt auch schon eine gewisse Routine ein – ohne nachzudenken, fahre ich einfach in die Richtung in die ich die letzten Male auch losgeballert bin: raus aus dem Ort über Katenbäker Berg, weiter über Hölingen, Colnrade, Rechterfeld – da kann man nix mit falsch machen. Der Renner schnurrt über den Asphalt – das Geräusch ist besser als jede noch so schöne Musik!

Da das Zeitfenster für die heutige Tour etwas enger gerafft werden muss, geht es ab Hogenbögen wieder zurück Richtung Wildeshausen. Ist schon Standard: den heftigsten Gegenwind hat man immer auf der Visbeker Straße. Die mag ich sowieso nicht sonderlich, da dort meistens so viel Verkehr herrscht, dass man besser den Radweg benutzt. Der ist zwar toll in Schuss, aber für mich auf der falschen Seite. Mag ich nicht! Heute kekst mich das alles so an, dass ich beschließe, nicht erst in Richtung Holzhausen abzubiegen – die verwegene Rennradfahrerin biegt heute schon vorher nach Thölstedt ab!

Schnell werden Kindheitserinnerungen wach. Die Höfe hier sehen noch aus wie früher. Sehr idyllisch - hier scheint die Zeit schon lange still zu stehen. Es gibt nicht viele  Möglichkeiten, die Höfe hinter mir zu lassen. Ich entscheide mich für die nahe liegenste, die am ehesten Richtung Wildeshausen zu führen scheint. Eine zweifelhafte Entscheidung!  Der Weg wird ganz schnell so schlecht, dass ein Weiterfahren mit 23mm-Reifen noch nicht mal mehr suboptimal erscheint. Also: Umkehren – auf der persönlichen Beliebtheitsskala steht das nur knapp über Dauerregen, Windböen, Reifenpannen und Hungerast. Statt gleich wieder zurück auf die Visbeker Straße, dem fiesen Gegenwind und dem dusselichen Autoverkehr zu fahren, versucht es die verwegene Rennradfahrerin nun mit einer anderen Abzweigung, um Thölstedt endlich zu verlassen. Läuft erst mal ganz gut. Als ich mich einem Rinnsal namens „Aue“ nähere, gabelt sich der Weg. Ugh, rechts geht es gar nicht weiter, alles aufgewühlt von haushohen Traktorreifen mit denen hier gerne gefahren wird!

Also weiter geradeaus. Das letzte halbwegs gut zu befahrende Stück Weg ist die Holzbrücke über die "Aue". Danach wird's wieder ganz kritisch für meine Bereifung. Mitten in diesem Nirgendwo steht eine Holzbank - und es sitzt tatsächlich jemand darauf! Wieder Kindheitserinnerungen: saß der nicht damals auch schon hier? Der Mann kennt hier bestimmt jeden Kieselstein, aber bestimmt nicht die Problematik, mit 23 mm-Reifen auf landwirtschaftlichen Nutzwegen zurande zu kommen. Wahrscheinlich sitzt der den ganzen Tag da, um zu verwegene Rennradfahrerinnen wie mich auslachen zu können. Was macht der sonst da?!? Uah, DER hat mit seinem Traktor bestimmt den Weg umgepflügt! Um zu verwegene Rennradfahrer genau hier in die Falle zu locken! Beklommen mache ich kehrt. Ziemlich aufgelöst und erneut zurück in Thölstedt kommt mir der Gedanke, dass ich in der Vergangenheit wohl zu oft irgendwelche fiesen Thriller geguckt habe. Obendrein versohlt mich der Wind seit meiner Umkehr  mit aller Macht von vorne! Und  zu spät nach Hause komme ich auch noch! Ich schwöre: nie wieder nach Thölstedt abbiegen!

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